Am 29. Juli 2021 verstarb im 93. Lebensjahr Professor Dr.-Ing. Dr.techn.E.h. Dr.h.c. Jürgen Zierep. Damit hat sich der Kreis eines erfüllten Wissenschaftlerlebens geschlossen. Dieser Kreis umschließt eine Fläche mit einem Leben voller beruflicher Schaffenskraft gepaart mit der Liebe und Fürsorge für seine Familie.
Dieses Forscherleben war von so einer Vielfalt und umfassenden Tiefe, wie wir es nur in Teilen erahnen können. Deshalb sollen die folgenden Ausführungen aus Wissenschaft, Forschung und Lehre einen Einblick in die Persönlichkeit von Jürgen Zierep ermöglichen.
Jürgen Zierep wurde am 29.01.1929 in Berlin geboren. 1947-1951 folgte das Studium im zerbombten Berlin. Begonnen mit Mathematik an der Humboldt-Universität folgte der Abschluss in den Ingenieurwissenschaften an der TU Berlin als Dipl.-Ing., im gleichen Jahr 1951 folgte die Promotion zum Dr.-Ing. an der TU Berlin. 1952 führte ein Auslandsauenthalt zu Prof. Ackeret an das Aerodynamische Institut der ETH in Zürich und zu zusätzlicher Industrietätigkeit. Anschließend folgte eine Tätigkeit als Assistent an der TU Berlin mit der Habilitation 1956 in Angewandter Mathematik. Es folgte der Wechsel als Priv. Doz. an die TH Aachen verbunden mit der wissenschaftlichen Mitarbeit am Institut für theoretische Gasdynamik bei Prof. Oswatitsch.
Diese Tätigkeit bei Oswatitsch, die Mitarbeit bei Prof. Ackeret und die Begegnung mit Ludwig Prandtl in Göttingen, der mit seiner Grenzschicht-Theorie aus dem Jahre 1904 die moderne Strömungsmechanik begründete, entfalteten prägende Wirkung auf Prof. Zierep. Die Gasdynamik hat Prof. Zierep 1961 nach Karlsruhe geführt. Der Lehrstuhl für Strömungslehre und das Institut für Strömungslehre und Strömungsmaschinen waren seine wissenschaftliche Heimat. Hier wurde eine weltweit beachtete Schule der Strömungsmechanik aufgebaut.
Wissenschaft, Forschung und Lehre waren eine unzertrennliche Einheit. Die Wissenschaft lebt vom Austausch, dem sich die Gesellschaft für Angewandte Mathematik und Mechanik, die GAMM, verpflichtet fühlt. Dieser Organisation hat Prof. Zierep von 1983-1986 als Präsident, danach als Vizepräsident und lange Jahre als Schatzmeister und im Vorstandsrat gedient. Die GAMM bot ihm die Möglichkeit für Kontakte hinter dem Eisernen Vorhang mit GAMM-Jahrestagungen unter anderem in Budapest und Dubrovnik. Bis ins entfernte China reichten damals die Verbindungen.
Die Forschung ermöglicht dem Drang nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen nachzugehen. Von der Meteorologie, der Gasdynamik bis zu den aktuellen Themen der Strömungsmechanik reichten die Arbeitsfelder von Prof. Zierep. Experimente dienten zur Begründung und Bestätigung mathematischer Theorien und Analysen. Hier zeigte sich meisterhaft die geniale Kombination von Theorie und Praxis. Die Ähnlichkeitsmechanik diente zur Übersicht in den Wissensgebieten. Zahlreiche Veröffentlichungen enthalten die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Dokumentation, Verbreitung und Diskussion. Einen großen Beitrag zur Verbreitung des Wissens hat die Zeitschrift ACTA MECHANICA geleistet, deren Mitherausgeber Prof. Zierep im Zeitraum von 1965-2001 war.
Wissenschaft, Forschung und Lehre waren für Jürgen Zierep untrennbar verbunden. In der Lehre konnte er junge Studierende auch für schwierigste Wissensgebiete begeistern. Mut, Tatkraft und Vertrauen waren Maxime, die Ihn dabei leiteten. Seine Vorlesungen und Vorträge waren legendär, von besonderer Klarheit und Präzision, vorgetragen mit Enthusiasmus. Zahlreiche Lehrbücher zu den Themen Gasdynamik, Ähnlichkeitsgesetze und Modellregeln, Strömungsmechanik und Grundzüge der Strömungslehre bildeten die Basis für die eigene Lehrtätigkeit und den Zugang für viele Studierende an den Universitäten und Hochschulen.
Die Erfolge in Forschung und Lehre führten zu zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen. Es sind dies unter anderem: Die Ehrenprofessur der Beijing University of Aeronautics und Astronautics (1988), die Ehrendoktorwürden der Technischen Universitäten Wien (1989) und Budapest (2006).
Im Jahre 1995 wurde Jürgen Zierep das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse für seine Forschungstätigkeit und internationalen Wissenschaftsaustausch verliehen.
Eine Herzensangelegenheit war für Jürgen Zierep die Arbeit in der GAMM, der Gesellschaft für Angewandte Mathematik und Mechanik, die im Jahre 1999 mit der Ehrenmitgliedschaft gewürdigt wurde.
Ein Höhepunkt war 1978 die Ludwig-Prandtl Gedächtnisvorlesung. Die Verleihung des Ludwig-Prandtl-Rings 1998, der höchsten aerodynamischen Auszeichnung, war etwas Besonderes. Den Begründer der modernen Strömungslehre, Ludwig Prandtl, hatte Jürgen Zierep noch persönlich kennengelernt. Oft berichtete er von dieser Begegnung. Einige der hier erwähnten Begebenheiten und weitere sind auch in der Beschreibung von W. Schneider (1994) dargestellt.
Zahlreiche Kollegen, Mitarbeiter und Studierende werden sich an Prof. Zierep als Meister der Strömungsmechanik und liebenswürdigen Menschen erinnern.
Karl Bühler
Literatur
W. Schneider: Professor Dr.-Ing. Dr.techn.E.h. Dr.h.c. Jürgen Zierep, ACTA MECHANICA SUPPLEMENTUM 4, Fluid- and Gasdynamics, Ed. by G.H. Schnerr, R. Bohning, K. Bühler and W. Frank, Springer-Verlag, Wien, 1994